Das auffallendste Merkmal im Aikido ist wohl der Hakama. Der Hakama ist das traditionelle Kleidungsstück der japanischen Samurai und erinnert in unseren Breitenkreisen gewissermaßen an einen Hosenrock. Er war wesentlicher Bestandteil der alltäglichen Bekleidung; der Gi (der Anzug, wie er z.B. im Judo oder Karate getragen wird) stellt eigentlich nur die Unterwäsche dar.

 

In Japan wurden bis zum Anfang des vorigen Jahrhunderts je nach Verwendungszweck unterschiedliche Arten von Hakamas getragen. Sie unterschieden sich nach Verwendungszweck (Soldaten, Reiter, Alltagsgebrauch) als auch nach gesellschaftlicher Stellung. In Kampfsituationen diente der Hakama neben der Schutzwirkung für die Beine auch dazu, die genaue Stellung der Füße zu verdecken. Insbesondere im Schwertkampf hat die Stellung der Füße eine besondere Bedeutung: von ihrer Position kann man Rückschlüsse auf den zu erwartenden Angriff oder auf die Möglichkeit der Abwehr von Angriffen ziehen.

Im heutigen Aikido wird der schwarze (bzw. blaue) in den meisten Verbänden ab dem 1. Dan getragen; in einigen Verbänden schon ab dem 5. Kyu. Der weiße Hakama ist in Deutschland in einem Verband auch für Schülergrade zu finden - jedoch ist der weiße Hakama eigentlich den Großmeistern vorbehalten, denn die Farbe "Weiß" entspricht in den japanischen Traditionen der Reinheit und Vollkommenheit.

Unserer Ansicht nach ist es nicht richtig, erst ab einer bestimmten Stufe der Graduierung den Hakama zu tragen. Hierzu gibt es sicherlich die unterschiedlichsten Auffassungen. Wir stehen auf dem Standpunkt, dass der Aikidoka "seine Graduierung" durch sein Induviduum und sein Verhalten ausdrückt, nicht durch die äußerlichen Zeichen. Aus traditioneller Sicht trägt jeder Aikidoka den schwarzen (blauen) Hakama, unabhängig von seiner Graduierung. Dieser Tradition entsprechen wir in unserem Dojo.

Es gibt zu dieser Tadition eine sehr schöne Übersetzung von Wolfgang Fürst zu einem Erlebnis von Saotome Sensei, welches er als Schüler beim Begründer des Aikido hatte:

Als ich Uchi-deshi bei OSensei war, war jedermann verpflichtet, beim Üben einen Hakama zu tragen, beginnend beim ersten Mal, wo die Matte betreten wurde. Es gab keine Beschränkungen, welche Art von Hakama getragen werden durfte, und daher war das Dojo ein sehr bunter Ort. Man konnte Hakamas aller Arten, Farben und Qualitäten sehen: Kendo-Hakamas, gestreifte Hakamas, die im japanischen Tanz verwendet wurden und auch teure Seidenhakamas, genannt Sendai-hira. Ich glaube, dass manche der beginnenden Schüler vom Teufel geritten wurden, wenn sie sich von ihren Großvätern wertvolle Hakamas ausliehen, die nur dafür bestimmt waren, bei speziellen Anlässen und Feiern getragen zu werden und dann deren Knie beim Üben von Suwari-waza durchscheuerten.
Ich erinnere mich lebhaft an den Tag, als ich meinen Hakama vergessen hatte. Ich war gerade dabei, die Matte zu betreten, wobei ich nur meinen Dogi trug, als OSensei mich stoppte. 'Wo ist dein Hakama?' wollte er streng von mir wissen. 'Was veranlasst dich zu denken, du könntest den Unterricht deines Lehrers erhalten, wenn du nichts anderes trägst, als deine Unterwäsche? Hast du keinen Anstand? Es mangelt dir offensichtlich an der Einstellung und der Etikette, die notwendig sind für jemanden, der dem Budo-Training folgt. Geh und setz' dich an die Seite und sieh zu!'
Das war nur eine der vielen Schelten, die ich von OSensei erhalten sollte. Meine Ignoranz in dieser Angelegenheit jedoch bewog OSensei dazu, seinen Uchi-deshi nach dem Unterricht über die Bedeutung des Hakama einen Vortrag zu halten. Er erklärte uns, dass der Hakama das traditionelle Kleidungsstück der Kobudo-Schüler war und fragte uns, ob einer den Grund der sieben Falten kenne. 'Sie symbolisieren die sieben Tugenden des Budo', sagte OSensei. 'Diese sind JIN (Güte), GI (Ehre/ Gerechtigkeit), REI (Höflichkeit/ Etikette), CHI (Weisheit/ Intelligenz), SHIN (Aufrechtigkeit), CHU (Loyalität) und KOH (Pietät). Wir finden diese Eigenschaften in den hervorragenden Samurai der Vergangenheit. Der Hakama bringt uns dazu, über die Natur des wahren Budo nachzusinnen. Ihn zu tragen, symbolisiert die Traditionen, die von Generation zu Generation schließlich auf uns übertragen wurden. Aikido wurde geboren aus dem Geist des japanischen Bushido, und in unserem täglichen Üben müssen wir uns bemühen, diese traditionellen Tugenden zu vervollkommnen.'

Derzeit folgen die meisten Aikido-Dojos nicht der strikten Politik von OSensei hinsichtlich der Frage des Tragens des Hakama. Seine Bedeutung degenerierte von einem Symbol traditioneller Tugend zu einem Statussymbol für Yudansha (Danträger). Ich bin in vielen Dojos in vielen Ländern gewesen. An vielen Orten tragen nur die Yudansha einen Hakama, die Yudansha haben ihre Bescheidenheit verloren. Sie denken an einen Hakama als eine Auszeichnung, als ein sichtbares Zeichen ihrer Überlegenheit. Diese Art von Einstellung macht aus der Zeremonie des Verbeugens in Richtung OSensei, mit der wir den Unterricht beginnen und beenden, eine Verspottung seines Gedankens und seiner Kunst.

Noch schlechter ist es, dass in manchen Dojos von den Frauen mit Kyu-Graden (und nur von den Frauen) verlangt wird, einen Hakama zu tragen, angeblich, um deren Anstand zu wahren. Für mich ist das beleidigend und diskreminierend gegenüber weiblichen Aikidoka, da es ihnen eine niedere Geisteshaltung unterstellt, die auf der Aikido-Matte keinen Platz hat.
Es macht mich traurig, den Hakama solch kleinlichem Gebrauch ausgesetzt zu sehen. Manchen mag dies als ein ganz ungewöhnliches Thema erscheinen, aber ich erinnere mich gut an die große Wichtigkeit, die OSensei dem Tragen des Hakama beimaß. Ich kann diesem Kleidungsstück nicht seine Bedeutung absprechen, und keiner, denke ich, kann den großen Wert der Tugenden bestreiten, die er symbolisiert.

In meinem Dojo und den angeschlossenen Schulen ermutige ich alle Schüler, unabhängig von ihrer Graduierung, Hakamas zu tragen. (Ich verlange es aber nicht, bevor sie ihren ersten Kyu-Grad erhalten haben, da Anfänger in den Vereinigten Staaten in der Regel keinen japanischen Großvater haben, dessen Hakama sie borgen können.) Ich fühle, dass das Tragen eines Hakama und das Wissen um seine Bedeutung den Schülern hilft, sich des Geistes von OSensei bewusst zu sein und seine Idee am Leben zu erhalten.

Wenn wir es erlauben, die Wichtigkeit des Hakamas verschwinden zu lassen, werden wir vielleicht auch damit beginnen es zuzulassen, dass fundamentale Dinge aus dem Geist des Aikido in Vergessenheit geraten. Wenn wir anderseits aber treu gegenüber OSensei's Wünschen an unsere Übungskleidung sind, ist unser Geist vielleicht näher an dem Traum, dem er sein Leben gewidmet hat."