Der Krieger (Bushi oder Bujin) musste seine Persönlichkeit und seinen Charakter bilden, sich gegen alle Greuel seines Metiers stählen, auch gegen die Angst um das eigene Leben. Was die Samurai, die adligen Krieger und selbst die Soldaten der niederen Ränge dazu trieb, die Klöster aufzusuchen und sich von den Meditationstechniken der Mönche anregen zu lassen, war weniger die Neigung zur höheren Bildung oder zur Meditation als vielmehr die Hoffnung auf Hilfe in ihrer persönlichen Situation. Diese Menschen gingen ganz auf in den ständigen Gewalttätigkeiten der feudalen Gesellschaft, und ihre Interessen reichten selten über das Handwerk des Kämpfens hinaus. Sie wollten ihr Verhalten so beherrschen lernen, dass sie die größtmöglichen Aussichten auf Erfolg hatten und die Kampftechniken wirkungsvoll anwenden konnten.

Zen bot ihnen nicht nur eine Philosophie, sondern zugleich auch eine bestimmte Lebensform, die für die Kunst, das Schwert zu gebrauchen, nur nützlich sein konnte und die ihnen den Kampf erträglicher machte. Zen lehrte sie, wie sie zur vollkommenen Beherrschung ihres Verhaltens gelangen könnten, und unterwies sie in Techniken, die zur Befreiung von Angst, zur Stille des Geistes und zur körperlichen Entspannung führten - zu einer Verfassung, die in jeder Lage ein aufmerksames, schnelles Handeln erlaubte. Die Lehren des Zen-Buddhismus bestanden für den Krieger darin, dass er wieder in einen Zustand urtümlicher Schlichtheit versetzt wurde, wie beim Erwachen des Neugeborenen, das die Realität "ozeanisch" wahrnimmt ohne die Trübung seiner Wahrnehmung durch eine sehr subjektive und daher selektive innere Einstellung. Wenn er die lähmende Angst, alle Gewohnheiten, Spannungen und Leidenschaften abgestreift hat, die wie Staubkörner den "Spiegel des Daseins" trüben, gewinnt der Mensch seine Fähigkeiten wieder. Er sieht alles und hält nichts fest. Mit Gewandtheit weiß er sich seiner Fähigkeiten zu bedienen und gewinnt dadurch eine hohe Lebenstüchtigkeit.

Diese Lebenstüchtigkeit hängt mit der Bereitschaft zusammen, die Aufmerksamkeit augenblicklich und scharf zu konzentrieren, außerdem mit der Entspanntheit des Körpers und dem Einsatz seiner ganzen Energie zum gewünschten Zeitpunkt. Die physische und mentale Schulung, die das Zen empfahl, hat zum Ziel, alle Ursachen geistiger Zerstreuung und alle Ursachen körperlicher Verspannung zu beseitigen, da diese oft Fehlurteile und Fehlhandlungen hervorrufen. Die Zen-Meister haben immer versucht, die Intuition zu vertiefen, der nach ihrer Auffassung das wahre Erkennen entspringt, und sich wenig um das intellektuelle, rationale Verständnis gekümmert, das sich in Einzelheiten, in der Analyse verliert und das Ganze aus den teilen zusammensetzen will. Das Erkennen der Außenwelt kann sich für sie nur unmittelbar, als Entdeckung jedes neuen Augenblicks, vollziehen. Ihre Methoden zur Steigerung der intuitiven Fähigkeiten des Menschen waren von höchstem Interesse für die Kriegskünste, in denen die Notwendigkeit, jeden Augenblick, ohne zu überlegen, auf die Herausforderungen einer gefahrvollen realität antworten zu können, von grausamer Deutlichkeit war. Dazu musste jeder Krieger jenen Zustand innerer Ruhe bewahren, in dem er ohne Zerstreutheit und ohne Abhängigkeit das rechte Bild von den Dingen gewinnen konnte.

Mit seinen Atemübungen und der Konzentration auf Hara - der Mitte des seelischen Gleichgewichts und der Energie - gab Zen den Kriegern ein Mittel an die Hand, innere Stabilität zu gewinnen und sich in der Konzentration des Denkens zu schulen. Aus dem stabilisierten Hara - das heißt, aus dem Menschen im Vollbesitz seiner Mittel und Fähigkeiten - konnte augenblicklich, in einer dem zweck völlig angepaßten Bewegung, so viel Energie hervorschießen, wie nötig war, um einen richtig wahrgenommenen Angriff durch die richtige Technik zu neutralisieren. Die statische Körperhaltung als erster Schritt auf der Suche nach Stabilität und die Bauchatmung, die dem denken beim Erlernen der Konzentration als Wegweiser diente, wurde von den Kriegern aus einem wesentlich praktischem Interesse heraus geübt, das mit dem Metier in enger Verbindung stand.

Diese Technik, einen Zustand gesteigerter Wachheit zu erzielen, ist so alt wie der asiatische Kontinent. Wir finden sie nicht nur in den Kriegskünsten, sondern in allen anderen japanischen Künsten, vom Ikebana (Weg der Blumen) bis zum Kyudo (Kunst des Bogenschießens) und ebenso auch im Geido (Weg des Theaters) und im Budo (Weg des ritterlichen Geistes). Im Mittelpunkt all dieser Künste finden wir immer wieder den Begriff des Haragei, der seinerseits zwei Pole hat, nämlich Hara (Mitte des psychologischen Gleichgewichts des Menschen) und Ki (Lebensenergie). Haragei war eine Kunst für sich, nämlich die Kunst, die Probleme der menschlichen Existenz zu meistern.

Die Japaner haben ihre Theorie in Anlehnung an alle spirituellen und metaphysischen Strömungen, an die Lehrsätze aller Schulen ausgebildet, die sie assimiliert haben. Seit frühester Zeit wurde in Asien, besonders in Indien, den Haltungen und Stellungen des Körpers (die man im Yoga unter der Bezeichnung Asana findet), der Atmung des Menschen und dem Atem des Kosmos sehr große Bedeutung beigemessen. Das Prâna der Hindus oder auch das Ki ist der Grund aller Energie, die Kraft, die das Weltall in Bewegung hält, kurz, das kosmische wie das menschliche Leben. Dennoch müssen wir klarstellen, dass die Ausübung einer Kriegskunst für den Samurai niemals bedeutete, dass er sich auf die lange und beschwerliche Askese eingelassen hätte, mit der der Hindu nach innen strebt.

Im Unterschied zu den Hindus haben die Chinesen und Japaner niemals die Auslöschung des Ichs zum Zweck der Befreiung empfohlen. Diese Kulturen haben mit der japanischen zwar vieles gemeinsam, doch nicht die Anschauung, dass man auf dieser Erde leben und zugleich das Leben, und sei es auch noch so illusorisch, verleugnen könne. Wenn die Anhänger des Yoga und des Tao das Leben aus dem Kreislauf des Atems erklären und es durch eine entsprechende Atemgymnastik kontrollieren wollen, so lehren die ersten die Dressur aller Körperfunktionen, um das Leben beherrschen und sich ihm entziehen zu können, während die letzteren dieselben Funktionen zähmen wollen, um mehr Autonomie zu gewinnen, sich mit der Natur zu vereinen und aus ihr Kräfte zu schöpfen. In beiden Fällen soll die Lebenskraft gesteigert werden, doch mit grundsätzlich verschiedener Absicht: das eine Mal um der "Glückseligkeit", das andere Mal um der Lebenstüchtigkeit willen; durch Askese für die einen, die dem Leben entsagen, durch Tätigkeit für die anderen, die das Leben in all seinen widersprüchlichen, jedoch auch komplementären Äußerungen gelten lassen.