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Die Meiji-Reformen ließen die Macht der Sippen (Uji) zunächst unangetastet, doch wurden die Lehen beschnitten und die Geldwirtschaft eingeführt. Durch diese Veränderung wurden die Samurai materiell entmachtet und ihrer Existenzgrundlagen beraubt. Als ihre Not unerträglich wurde, griffen sie 1876 zu den Waffen, um die neue Regierung zu stürzen. Zuerst erhoben sich die Saga unter dem früheren Justizminister Eto Shimpi (1835 - 1874), doch der Aufstand wurde niedergeschlagen, seine Anführer enthauptet. 1876 versuchte der "Bund der Götterwinde" in Kumamoto einen Putsch, und zugleich gab es auch in Hagi Unruhen. Ein Jahr später erhoben sich die Satsuma unter dem ehemaligen Kriegsminister Saigo Takamori gegen die Meiji-Regierung, und der Seinin-Krieg brach aus. In diesem Krieg standen sich die Aizu- und Satsuma-Samurai erneut gegenüber. Diesmal auf der Seite des Kaisers, nahmen die Aizu in der Schlacht von Tabaruzaka fürchterliche Rache für die Niederlage bei Sekigawaguchi. | |
In dieser turbulenten Zeit verbrachte Takeda Sogaku Minamoto Masayoshi, der spätere Großmeister des Daito ryu Aikijutsu, die besten Jahre seines Lebens. Geboren am 10. Oktober 1860 in der Provinz Aizu, war er ein Abkömmling des alten Takeda-Clans, jenes Clans also, in dem die Techniken des bewaffneten und waffenlosen Kampfes seit Generationen weiter gegeben wurden. Als Kind erhielt er von seiner Familie die strenge Ausbildung eines Samurai. Sein Großvater Takeda Soemon lehrte ihn den unbewaffneten Nahkampf, den Schwertkampf und den Speerkampf, und von seinem Vater Takeda Sokichi (1819 - 1906) lernte er das Sumo-Ringen. Doch damit nicht genug. Indem er Schüler weiterer hervorragender Kampfkunstmeister wurde, eignete er sich im Laufe der Jahre eine ganz ungewöhnlich breite und tiefgehende kämpferische Ausbildung an: Ab 1870 begann der junge Takeda mit dem Studium des Ono ha Itto ryu unter Meister Shibuya Toma aus dem Aizu-Clan. Dieser stellte den Jungen später dem in Osaka lebenden Schwertmeister und Leiter der Kyoshin Meichi Schule, Monomo I Shunzo (1826 - 1886), vor. 1875 wurde Takeda Schüler von Sakakibara Kenkichi (1829 - 1894), dem 14. Großmeister des Jikishinkage ryu. 1876 erhielt er das Menkyo kaiden (Lehrerdiplom) der Schwertschule Ono ha Itto ryu. Im Juni des selben Jahres verstarb sein älterer Bruder, und die familiären Verpflichtungen riefen ihn in seine Geburtsprovinz Aizu zurück. Nach seiner Rückkehr folgte eine weitere Etappe bei einem legendären Kampfkunstmeister. Er lernte Saigo Tanomo kennen, der seinerzeit Schüler von Sogakus Großvater Takeda Soemon war. Saigo war zudem ein Schwertkämpfer in der Tradition des Mizoguchi ha Itto ryu und des Koshi ryu Gungaku. Takeda lernte von ihm Aikibujutsu, welches den Speer, das Schwert und andere Waffen mit einschloss. Das Daito ryu Aikibujutsu war zu jener Zeit noch ein komplexes Kampfsystem, das Nage waza (Wurftechniken), Osae waza (Haltetechniken), Battojutsu, Yarijutsu (Gebrauch des Speers) und Torae waza (Fesselungstechniken) in sich vereinte. Takeda Sogaku war wahrscheinlich der stärkste Kampfkunstmeister Japans zu Anfang des vorigen Jahrhunderts. Nach allgemeiner Meinung hätte ihn kein anderer zu seiner Zeit lebenden Kampfkunstexperte besiegen können. Sogar nach der Meiji-Restauration (1868) lebte er wie ein Krieger - auf lebenslanger Wanderschaft, um von den besten Meistern zu lernen, sie herauszufordern und sich im Kampf zu testen. 1877 versuchte er, sich zwischen den Rebellen unter Saigo Takamori anzuschließen, kam jedoch zu spät. Zwischen 1880 und 1898 wurde Takeda bekannt als einer der letzten Wanderkrieger (Ronin) Japans, und seine Fähigkeiten in den Duellen brachten ihm schließlich den Namen Aizu han no ko tengu ( kleiner Tengu des Aizu-Clans) ein. Nachdem jedoch bereits 1878 das öffentliche Tragen von Schwertern verboten worden war, nahm man ihm sein Schwert ab, welches er auf seinen Reisen unerlaubterweise stets mit sich getragen hatte. Seine dauernden Konflikte mit dem Gesetz brachten ihn oft in Schwierigkeiten. Wäre Takeda heute noch am Leben, würde er zweifellos als exzentrisch gelten. Er wird als einer der letzten großen Samurai Japans und gleichzeitig als Bindeglied zwischen dem Zeitalter der Samurai und der Moderne bezeichnet. Mehrere Jahre verbrachte er auf Kyushu und soll sogar nach Okinawa und Taiwan gesegelt sein, um seine Fähigkeiten im Kampf mit den dortigen Meistern auf die Probe zu stellen. Doch regelmäßig kehrte er nach Fukushima zurück, um unter der Leitung von Saigo Tanomo zu trainieren. Takeda lebte ein sehr bewegtes Leben, meist an den Grenzen der Legalität. Da er beständig Konflikte mit den Behörden hatte, musste er sein Aktionsgebiet mehr und mehr in den nördlichen Teil Japans verlagern, das weit weniger den strengen Kontrollen der Behörden unterlag. In diesen Gebieten, in denen Abtrünnige, Rebellen und Gesetzlose Zuflucht suchten und ein Leben außerhalb der Gesellschaft führten, fühlte er sich wohl. Er liebte nichts mehr als den Kampf mit den dortigen Banditen und schlug alle Angebote, in Tokyo eine Schule zu eröffnen, aus. Sogar eine persönliche Einladung des amerikanischen Präsidenten Theodore Roosevelt, der von der Kampfkraft Takedas gehört hatte, schlug er in den Wind. Er lebte im latenten Kriegszustand gegenüber allen, die ihn umgaben, war sehr vorsichtig (seine Schüler mussten sogar sein Essen vorkosten) und duldete nie einen Menschen hinter seinem Rücken. Bis zu seinem Lebensende hatte er mehrere Kampfkunstexperten in Duellen getötet. Takeda Sogaku war der erste, der das alte Kampfsystem der Takeda auch Außenstehenden lehrte. Allerdings waren es nur wenige Schüler, die er in einem Gasthaus in Engaru (auf Hokkaido) in seiner Kunst unterwies, die er Daito ryu Aikijutsu nannte. Ansonsten reiste er sehr viel und hielt Kurzlehrgänge ab. Auf diese Weise soll er annähernd 30 000 "Schüler" gehabt haben. Noch als 83jähriger unterrichtete er. Sein Sohn Takeda Tokimune erzählt, er habe einen sechsten Sinn für Menschen gehabt und habe ihre Gedanken lesen können. Seit 1910 lebte Takeda dann auf Hokkaido und verließ die Insel nur selten. Er heiratete dort eine 30 Jahre jüngere Frau, die ihm sieben Kinder gebar. Takeda starb am 25. April 1943 im Alter von 83 Jahren am Bahnhof von Aomori auf Honshu. Die Tradition des Daito ryu wurde u. a. von seinem Sohn Takeda Tokimune fortgesetzt. Im Jahre 1915 brachte Yoshida Kotaro, der als in den USA tätiger Spion zeitweise auf Hokkaido untertauchte, einen jungen Mann in Takedas Dojo: Ueshiba Morihei. Er sollte ab sofort sein Schüler sein. Sein berühmtester, wie sich später heraus stellte. |