Kana und Kanji. Bei den Kana-Schriften (Hiragana, Katakana) handelt es sich um Lautschriften, die angeben, wie etwas gesprochen wird, also im Prinzip unserem Schriftsystem oder dem der International Phonetic Association entsprechen. Die Bedeutung des Textes erschließt sich dem Leser nur über die Aussprache der Zeichenkombination, das Zeichen als solches hat keine Bedeutung. Die Kanji-Zeichen hingegen sind sogenannte Ideogramme, d. h. Zeichen, die etwas symbolisieren. Die Bedeutung erschließt sich direkt aus dem Zeichen und nicht über den "Umweg" Aussprache. Dies ist auch bei uns durchaus üblich, Verkehrsschilder sind nur ein Beispiel. Bis man das Schild mit der Aufschrift "Vorfahrt gewähren!" gelesen, d. h. in Gedanken gesprochen, und dessen Bedeutung aufgenommen hat, ist man eventuell bereits in einen Unfall verwickelt; das auf der Spitze stehende Dreieck am Fahrbahnrand hingegen wird sofort in seiner vollen Bedeutung wahrgenommen. Dieses Schild versteht auch ein Engländer in der Pariser Innenstadt - die Sprachbarriere ist eben nur ein Problem des gesprochenen Wortes. Die japanischen Kanji leiten sich übrigens vom chinesischen Schriftsystem her, ein Großteil der Zeichen ist immer noch identisch, allerdings geht der Trend in Japan dazu, die Zeichen zu vereinfachen. Oftmals läßt sich die ursprüngliche Bedeutung daher besser aus den jeweils entsprechenden chinesischen Zeichen herleiten.

Das Schriftzeichen Hito ist eines der sogenannten Radikale, das sind einfache Symbole, aus denen sich die Vielzahl komplexer Ideogramme der heutigen Kanji-Schrift zusammensetzt. Bei den Radikalen handelt es sich um Bilder, die ihre Bedeutung darstellen. Hito stellt einen Menschen dar, der sich bewegt, d. h. lebt. Nach dem gleichen Prinzip sind die komplexeren Zeichen also eine Art "Bildergeschichte" - in etwa vergleichbar dem Verkehrsschild für eine verkehrsberuhigte Zone; man erkennt deutlich einen Ball, ein Kind, ein Auto, etc., trotzdem wird das Schild in seiner Gesamtheit wahrgenommen, seine Bedeutung ergibt sich aus den Komponenten. Nach diesem Prinzip kann man auch Ai, Ki und Do in grundlegende Zeichen zerlegen und entsprechend deuten.

Kanji AiAi (phonetisch abgeleitet von awasu)

Ai setzt sich aus den drei Zeichen hito, ichi und kuchi zusammen. Hito stellt wie bereits erwähnt einen Menschen dar, und zwar bewußt einen sich bewegenden, da nach asiatischer Ansicht Stillstand den Tod bedeutet. Bei dem bekannten Yin-Yang-Symbol werden daher die Augen der zwei umeinander schwimmenden Fische nicht direkt neben- oder übereinander gesetzt, da dann ein die Bewegung aufhebendes Gleichgewicht entsteht. Hito bewegt sich, d. h. er lebt und entwickelt sich. Geht man bei der Definition etwas abstrakter vor, so erkennt man zwei einander entgegengesetzt wirkende Energien (These, Antithese), die einen neuen, gemeinsamen Weg (Synthese) finden. Ichi ist die Zahl 1. Kuchi stellt eine Abgrenzung dar, dadurch entstehen ein "Innen" und ein "Außen". Die Bedeutung des Zeichens ist Mund. Der Mund stellt beim Menschen den Übergang zwischen innen im Körper und außen außerhalb des Körpers dar, und zwar in beiden Richtungen. Mit der Nahrung nimmt man etwas von außen auf und durch die Stimme, das gesprochene Wort, gelangt etwas von innen nach außen. Ai bezeichnet also einen Menschen, dessen innere und äußere Komponenten eine Einheit bilden, und der so in Harmonie mit sich selbst und seiner Umwelt lebt. Dieses Prinzip der Einheit (Körper, Geist, Seele) findet bekanntlich auch im Aikido seine Anwendung.

Ki

Dieses Kanji gehört zu den Zeichen, bei denen das chinesische Zeichen die Bedeutung eher widerspiegelt als das japanische. Ueshiba benutzte das chinesische Zeichen, obwohl die Benutzung der vereinfachten Form bereits üblich war. Ki setzt sich zusammen aus Ki und Kome. Dabei bedeutet Ki Dampf und steht für Energie (mit etwas Phantasie erkennt man Wolken und einen Blitz). Kome bedeutet Reis - man erkennt den Erdboden und eine Pflanze mit Wurzeln und Blättern. Führt man sich die Bedeutung von Reis als das grundlegende und lebensbedeutendste Nahrungsmittel in Asien vor Augen, erkennt man unschwer, welche Bedeutung dieser Ki-Energie beizumessen ist. Koichi Tohei deutet darüber hinaus Kome als Symbol für eine Ausbreitung in alle acht Richtungen (ähnlich einer Windrose) aus einem Zentrum heraus. Es ist zu erkennen, daß das vereinfachte Zeichen gegenüber dem Original einiges an Bedeutung missen läßt. Ki, in seinen Elementen und Interpretationen derselben zusammengenommen, ergibt eine starke, sich bewegende Energie, die für das Leben von grundlegender Bedeutung ist.

Do

Do setzt sich zusammen aus Hashiru und kubi. Hashiru steht für voranschreiten, sich bewegen, fließen, sich entwickeln. Kubi bedeutet Kopf, Haupt, Hals. Es ist dasselbe Zeichen wie in Tekubi ("Hand- Hals")-Osae; diese Technik (Yonkyo) wirkt auf den bekannten Punkt am Unterarm ("Hand-Hals"). Do bezeichnet das Prinzip, das man in seinem Leben, seinem Voranschreiten, seiner Entwicklung (Hashiru) als obersten (Kubi - der Kopf befindet sich ganz oben am Körper) Grundsatz akzeptiert.