Aizu ist die Bezeichnung für ein Gebiet im nordöstlichen Teil der japanischen Hauptinsel Honshu, das zur Heimat einer Zweigfamilie (Aizu Takeda) der Kai Takeda wurde, die sich ebenso wie ihre Verwandten auf die edle Abstammung von den Minamoto-Samurai berufen. Nachdem die wenigen überlebenden Kai Takeda ihr Land verloren und Takeda Kunitsugu in Aizu um Asyl gebeten hatten, gestatteten ihm die Aizu-Fürsten, ihre gehobenen Samurai zu unterrichten.

Der positive Einfluss des Takeda-Lehrers auf das bestehende und ebenfalls auf hohem Niveau befindliche Kriegertum der Aizu blieb von den Aizu-Fürsten nicht unbemerkt, und man begann Maßnahmen zu ergreifen, um die Takeda-Kampfkunst systematisch in die Ausbildung aller Aizu-Samurai zu integrieren. In jenen unruhigen Zeiten galt es als dringend notwendig, bereits die Samurai-Kinder sowohl im Waffenumgang als auch geistig auszubilden, sie im Sinne des Bushidô zu erziehen. Schließlich sicherte erst der Codex des Kriegers den wahren Weg des Samurai und den Fürsten eine verlässliche Armee.

Kunitsugu hinterließ nach seinem Tod in Aizu mehrere hochrangige Vertreter des Takeda ryu, das dort unter verschiedensten Bezeichnungen (Ajutome, Aikibujutsu, Daito ryu Aikijutsu, Oshikiuchi ryu oder auch Goshikiuchi ryu, Otome ryu, Yamate ryu u. a.) fortlebte. Seine Nachfolger gründeten 1664 unter der Schirmherrschaft des Daimyô von Aizu zentrale Ausbildungsschulen (Nishinkan), in denen junge Aizu-Samurai Unterricht erhielten. Jedoch durften nur Samurai mit einem Einkommen von über 500 Koku, die Hofdamen und die direkten Diener des Daimyô von Aizu diese Schule besuchen. In der Folgezeit erblühten die Kampfkünste in der Provinz Aizu wie nirgendwo sonst. Am Nishinkan wurden fünf Stile des Kenjutsu und zwei Stile des Jujutsu (Mizuno Shinto ryu und Shinmyo ryu) gelehrt, und zusätzlich entstanden viele private Trainingsstätten, darunter zwei für Kenjutsu, vierzehn für Battojutsu (Schwertziehen und Schneiden mit dem Schwert, später auch Bajonettkampf), sechzehn für Arkebuse (Musketenschießen) und vier für Sojutsu (Speerkampf). Gleichzeitig konnten die angehenden Schüler den Umgang mit der Naginata (Hellebarde), der Kusarigama (Sichelkette), das Bojutsu (Stockkampf), Kumiuchi (Ringkampf) und Jinchyu Ninjutsu (Spionagetechniken) erlernen. Insgesamt existierten in der Provinz Aizu 94 Schulen der Kampfkünste, die die hochentwickelten Systeme der Takeda pflegten und weiter vervollkommneten.

Bestimmte Kampfkünste waren jedoch nach wie vor nur Samurai von allerhöchstem Stand zugänglich und wurden als Otome ryu oder Oshikiuchi ryu (Geheimlehren) bezeichnet. Es war nicht gestattet, das Wissen um diese Systeme an Gefolgsleute von geringerem Stand weiter zu geben, und auch ein Austausch von Techniken verschiedener Stile war verboten. Zwei dieser Kampfkünste waren das Aikijujutsu und Aizu Mizoguchi ha Itto ryu.

Die auf Takeda zurückgehenden Kampfsysteme der Aizu-Samurai wurden so über Generationen weiter gegeben und dabei ständig vervollkommnet und verfeinert. Nachdem sie seit Takeda Kunitsugu über zehn Generationen aufbewahrt wurden, gingen sie schließlich gegen Ende der Tokugawa-Periode auf eine kleine Gruppe von Kampfkunstexperten über. In der turbulenten Zeit der Umwandlung der japanischen Gesellschaft von einer feudalen Krieger-Ära in eine neuzeitliche Gesellschaft (Meiji-Periode) versuchten diese Lehrer, die ihnen anvertraute Kampfkunst vor den politischen Stürmen im nun gegenüber dem Ausland offenen Japan zu schützen.