Ki kann einfach übersetzt werden mit Lebensenergie. Das japanische Zeichen für Ki setzt sich zusammen aus dem Zeichen ki, was eben diese Energie bedeutet (mit ein wenig Phantasie kann man eine Wolke und einen Blitz erkennen) und kome, was Reis bedeutet. Wenn man dabei betrachtet, dass in China und Japan Reis als Grundnahrungsmittel gilt, wird man sich schnell der Bedeutung dieser Energie bewusst.

Doch was bedeutet Ki unter diesem Aspekt für das Aikido? Wenn man den Begründer, O Sensei Morihei Ueshiba auf filmischen Publikationen nach seinem Satori (1935) ansieht, kann man schnell erkennen, dass er keine Mühen hatte, seine, zum großen Teil jüngeren und kräftigeren Angreifer, zu Boden zu werfen. Wäre dies jedoch eine Sache, die sich intellektuell erfassen ließe, würde es darüber schon ausreichend „Gebrauchsanweisungen“ geben und jeder Kampfkünstler/-sportler würde sie umsetzen.

Nun ist dies aber in der (zumindest mir bekannten) Realität nicht der Fall. Was also ist dieses Ki, dass jeder zu kennen glaubt, aber keiner umfassend zu beschreiben vermag? Auf alle Fälle mal eines: Ein Zustand, der sich nicht rein geistig erfassen oder erreichen lässt. Man spricht vom „im-Ki-sein“, wenn Körper, Geist und Seele eins sind, das heißt, Psyche, Physis und Emotionen eine gleichberechtigte Rolle spielen. Erst dann verfügt man über den „6. Sinn“ und kann Angriffe schon wahrnehmen, bevor sie stattfinden und dadurch angemessen reagieren. Um in diesen Zustand zu kommen ist neben langer Übung vor allem eins nötig: man muss entspannt sein und bei sich (und damit in dieser Entspannung) bleiben können. Das hat rein körperlich schon mal zwei Vorteile: 1. man fühlt sich einfach besser und 2. im Aikido kann man so die Angriffsenergie unmittelbar (ohne sich vorher erst entspannen zu müssen) führen. Dies zu üben gestaltet sich jedoch im Aikido allgemein schwierig, da anfangs immer (und das muss auch so sein) eine Technik vorgegeben wird (man also nicht wirklich frei reagieren kann) und daraus resultierend zumeist die Angriffsenergie vielleicht gerade mal körperlich da ist.

Doch um Ki zu erfahren, benötigt man einen Angreifer (nicht „Anfasser“), der auch was vom Angegriffenen will. Uke muss, um sich voll seiner Aufgabe (dem Angriff) widmen zu können, Aggression aufbauen können (dadurch erst lernt man mit Aggression umzugehen) und vor den Konsequenzen seines Angriffes keine Angst haben. Das heißt nicht, dass der Angriff „komme was wolle“ durchgezogen werden muss, nur eben bedarf es einer Intension, die auch dosiert werden kann (sollte), um dauerhaft Fortschritte im Aikido zu erzielen. Bei Angreifern, die sich nicht oder nur anfangs in den Angriff begeben, bedeutet das, das Nage die fehlende Energie durch eigene Kraft ersetzen muss. Ob man gerade „im Ki ist“, läßt sich durch diverse Tests erfahren. Der „unbeugsame Arm“ ist hier sicherlich der bekannteste.

Michael Kluck